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REISE nach JERUSALEM

Das Angebot war verlockend: an einem Tag mit dem Bus nach Jerusalem, nach Bethlehem und Baden im Toten Meer! Und alles mit deutscher Reiseleitung!

Also melde ich mich an und erfahre: die Abfahrtszeit ist 24Uhr, die Rückkehrzeit ist 24Uhr. Der Telefondienst weckt mich pünktlich wie bestellt um 23Uhr15, um 23Uhr20 werde ich angerufen, der Bus sei unterwegs und würde 23Uhr50 da sein. Ich gehe gemütlich zur Rezeption - ein Fahrer steht da und winkt mich zu hinaus, obwohl es erst 23Uhr35 ist. Draußen steht eine Art VW-Busle, rappelvoll mit übermüdeten Leuten, die von Sharm el Sheikh hierhergeschafft wurden, um, wie es sich herausstellt, zu einem gemeinsamen Treffpunkt für den eigentlichen Bus gefahren zu werden. Nach einer halben Stunde halten wir im Dunkeln an einer unbeleuchteten Tankstelle und warten eine halbe Stunde auf den großen Reisebus, in welchem wir Reiseleiter Nummer 1 kennenlernen. Er lässt uns eine Teilnehmerliste ausfüllen und erklärt uns, dass der Bus uns bis an die Grenze zu Israel bringt, wir dort zu Fuß die Grenze passieren werden, um dann in einen israelischen Bus der Firma XYZ mit der Nummer 1 umzusteigen.

Gegen 4Uhr erreichen wir nach einer Fahrt gegen alle Regeln jeglicher Straßenverkehrsordnung die Grenze, steigen schlaftrunken aus, füllen ein Formular aus und werden von den ägyptischen Grenzbeamten viermal nach unserem Pass kontrolliert, unsere mitgenommenen Käsebrötchen und äpfel werden geröngt, ob auch wirklich keine Waffen darin verborgen sind. Auf der anderen Seite der Grenze stehen zwar Busse, aber nicht unserer. Wir stehen am Ufer des Roten Meeres und frieren. Ein fremder Reiseleiter meint, unser Bus müsse in wenigen Minuten kommen. Nach einer Viertelstunde meint er, unser Bus müsse in einer Viertelstunde kommen. Dann stellt er per Handy fest, dass unser Bus Verspätung habe, weil der Fahrer fehle. Die Touristengruppe rückt immer enger zusammen, um sich vor dem kalten Wind zu schützen. Nach über einer Stunde Wartezeit kommt ein Bus, weder von der Firma XYZ noch mit der Nummer eins, und nimmt uns auf, aber ohne neuen Reiseleiter. Die Fahrt geht weiter nördlich, am Toten Meer entlang, nur kurz von einer Pinkelpause an einem Rastplatz unterbrochen. Israelische Busfahrer und ägyptische Busfahrer müssen die selbe Fahrschule besucht haben; am besten man sieht nicht nach vorne, sondern versucht nur, sich an den Sitz zu klammern und ein bißchen zu dösen. Schade, dass wir die Sprache nicht verstehen, sonst hätten wir mitbekommen, was unser Fahrer während der gesamten Fahrt per Handy in der einen Hand und mit der anderen Hand am Lenkrad seinem Gesprächspartner erzählt hat. Unterwegs weckt uns eine Vollbremsung, als während eines angesetzten überholmanövers unerwarteterweise doch ein Auto auf der Gegenfahrbahn hinter der Kuppe uns entgegenkommt.

Mein Sitznachbar Kurt auf der anderen Gangseite bruddelt seine Frau an, so eine Organisation sei ihm noch nie untergekommen.

In Jerusalem steigt Reiseleiter Nummer 2 zu, spricht aber leider kein deutsch, und meint, sein Kollege hätte eigentlich auch hier sein müssen und wir sollten eben etwas warten. Reiseleiter Nummer 3 kommt doch noch und führt uns nun durch Jerusalem, beginnend mit einem Panoramaausblick vom ölberg über die Stadt bis hin zu einem zweistündigen Rundgang durch zahlreiche Kirchen und Kapellen sowie durch das moslemische und jüdische Viertel der Altstadt, welche durch eine Grenzkontrolle mit Gepäckdurchsuchung getrennt sind.

Als wir zum Busparkplatz zurückkommen - fehlt der Bus. Wir warten eine halbe Stunde, dann stellt sich heraus, dass er woanders parkt. Statt dass der Bus zu uns kommt laufen wir zum Bus. Kurt bekommt einen roten Kopf und ist kurz vor dem Platzen.

Weiter geht die Fahrt in Richtung Bethlehem. Unterwegs halten wir an einer Kirche, die, man mag es kaum glauben, zu einer Touristenkantine umgebaut wurde. Hier werden wagenladungsweise Touristen abgefüttert. Als wir in Bethlehem ankommen stellt sich heraus, dass zwei Touristen in unserem Bus fehlen; Reiseleiter Nummer 3 hat es nicht für nötig empfunden, vor der Abfahrt die Vollständigkeit zu überprüfen. Dennoch geht die Fahrt weiter. Bethlehem ist palästinensisches Gebiet, von einer riesigen Betonmauer abgegrenzt. Hier verlässt uns unser Reiseleiter Nummer 3 und meint, er als Israeli dürfe die Grenze nicht überschreiten. Wieder werden unsere Pässe kontrolliert. In Bethlehem bekommen wir Reiseleiter Nummer 4, der allerdings kein Deutsch spricht. Hier treffen wir auch unsere verlorengegangenen Mitfahrer wieder, die mitdenkenderweise mit einem Taxi nach Bethlehem gekommen sind. übrigens, Bethlehem sieht wie jede andere Stadt im Nahen Osten aus – von unserer weihnachtlichen Krippenvorstellung weit entfernt. Unser Busfahrer prescht mit Vollgas durch die engen Straßen; nur eine Vollbremsung kann verhindern, dass er in die sich öffnende Autotür eines parkenden Wagens knallt. Kurt rast innerlich, seine Frau schaut verlegen aus dem Fenster und versucht, ihren Ehemann zu ignorieren.

Als wir Bethlehem gerade verlassen wollen stellt sich heraus, das drei Mitreisende fehlen. Der Busfahrer stößt wilde Flüche aus und versucht in den engen Straßen ein Wendemanöver, fährt zur letzten Haltestation zurück, um die kreidebleichen dort Wartenden einzuladen. Kurt ist auf 180. Nach der Grenze - unsere Pässe werden kontrolliert - steigt wieder Reiseleiter Nummer 3 zu und führt uns zu einem Touristenshop, damit wir dort „günstig“ einkaufen können. Kurz nach der Abfahrt müssen wir wieder wenden - ein Tourist hat seine Kamera dort liegen lassen. Er findet sie tatsächlich wieder. Unser Reiseleiter lobt die Ehrlichkeit seiner Landsleute. In Jerusalem verlässt uns unser Reiseleiter, schließlich wohnt er dort, und wir fahren alleine weiter.

Als wir gegen 18Uhr anhalten, es ist inzwischen wieder stockdunkel und die meisten von uns haben geschlafen, stehen wir an einem Hotel am Toten Meer und Reiseleiter Nummer 5 besteigt unseren Bus. Wir dürfen nun für eine halbe Stunde im Toten Meer baden und im Shop des Hauses Kosmetika einkaufen. Entgeistert reiben wir uns die Augen und rappeln uns zu einem Protest auf, wir wollten weiterfahren. Das gehe nicht, meinte unser Reiseleiter, vielleicht wolle doch der eine oder andere aussteigen und baden, außerdem sei das so vorgesehen. Dass er ansonsten seine Provision verlieren würde erwähnt er natürlich nicht.

Nach einer halben Stunde, die natürlich fast eine Stunde lang war, geht es endlich weiter zur Grenze nach Eilat, wo wir schlaftrunken den Bus und unseren Reiseleiter verlassen. Unsere Pässe werden von den Israelis dreimal und von den Ägyptern viermal kontrolliert, nachdem wir angeschnauzt wurden, warum wir kein Formular ausgefüllt hätten.

Zu Fuss geht es über die Grenze, um auf der Gegenseite - keinen Bus zu finden! Kurt bricht innerlich zusammen und schnappt nur noch nach Luft. Immerhin ist Reiseführer Nummer 1 wieder da, um uns in Empfang zu nehmen. Ein paar Handyanrufe und ein paar mehr Minuten später kommt unser Bus doch noch und wir klappen auf unseren Sitzen zusammen. Der Busfahrer schaltet sein Handy ein und es kann losgehen. Gegen 24Uhr halten wir wieder an einer Tankstelle, damit uns wie üblich ein Shuttlebus zu unserem Hotel bringen kann. Der Fahrer kennt sich in der Gegend gut aus. Erst als wir in die Nähe der zahlreichen Polizeikontrollstationen kommen schaltet er seine Scheinwerfer ein.

Gegen 1Uhr erreiche ich mein Hotel und falle in mein Bett. Trotz meiner geschlossenen Augen sehe ich Straßen und Landschaften auf mich zukommen, Linkskurven und Rechtskurven, Kurt mit rotem Kopf - dann ist alles vorbei.